Trunkenheitsfahrten sind kein Kavaliersdelikt. Dennoch haben (gerade Ersttäter) oft den Eindruck, dass Sie direkt mehrfach bestraft werden. Erst kommt ein Strafverfahren bei dem sie zu einer Geldstrafe verurteilt werden und ihnen die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrzeit für die Wiedererteilung verhangen wird.
Ist die Sperrzeit dann abgelaufen, müssen sie die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis beantragen. nicht selten fordert die Führerscheinstelle die Vorlage eines medizinisch-psychologisches Gutachtens (MPU). Das ist mit weiteren Kosten und ungewissem Ausgang verbunden.
Oft ist die Forderung zur Vorlage der MPU nicht gerechtfertigt!
Das Bundesverwaltungsgericht hat in zwei Verfahren am 06.04.2017 klargestellt, dass die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis durch die Führerscheinstelle nach Entzug durch Strafurteile wegen Trunkenheitsfahrten nur dann von der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) abhängig gemacht werden darf, wenn die festgestellte Blutalkoholkonzentration (BAK) mehr als 1,6 Promille beträgt oder bei einer niedrigeren BAK weitere Tatsachen vorliegen, die die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründen.
Es ist daher stets im Einzelfall zu prüfen, ob die Vorlage einer MPU angeordnet werden kann. Lassen Sie sich beraten!
Pressemitteilung des BVerwG Nr. 23/2017:
Ist nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille im Strafverfahren die Fahrerlaubnis entzogen worden, darf die Verwaltungsbehörde ihre Neuerteilung nicht allein wegen dieser Trunkenheitsfahrt von der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens abhängig machen. Anders liegt es, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme von künftigem Alkoholmissbrauch begründen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Im Verfahren BVerwG 3 C 24.15 hatte das Strafgericht die Klägerin wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (BAK 1,28 Promille) nach § 316 StGB verurteilt und ihr nach § 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen, da sich aus der Tat ergebe, dass sie zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Als sie die Neuerteilung beantragte, erhielt sie von der Fahrerlaubnisbehörde gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. a der Fahrerlaubnis-Verordnung* (FeV) die Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten vorzulegen.
Im Verfahren BVerwG 3 C 13.16 hatte das Strafgericht dem Kläger die Fahrerlaubnis bei im Übrigen gleichem Sachverhalt wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,13 Promille entzogen. In beiden Fällen ist die Klage auf Erteilung der Fahrerlaubnis ohne vorherige medizinisch-psychologische Untersuchung in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die vorinstanzlichen Urteile geändert und die Beklagten jeweils verpflichtet, den Klägern die beantragten Fahrerlaubnisse auch ohne die Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Frage von Alkoholmissbrauch neu zu erteilen. Der Auffassung, dass die Fahrerlaubnis nach strafgerichtlicher Entziehung wegen einer Trunkenheitsfahrt nur nach Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens neu erteilt werden dürfe, ist es nicht gefolgt. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV rechtfertigt eine einmalige Trunkenheitsfahrt ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Tatsachen erst ab einer BAK von 1,6 Promille die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die strafgerichtliche Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt ist – wie die Bezugnahme in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV* auf die unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe zeigt – kein eigenständiger, von der 1,6 Promille-Grenze unabhängiger Sachgrund für die Anforderung eines Gutachtens. Im Strafverfahren ist der Täter bei einer Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) „in der Regel“, also ohne das Hinzutreten weiterer belastender Tatsachen, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen (§ 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB).
BVerwG 3 C 24.15 – Urteil vom 06. April 2017
Vorinstanzen:
VGH München 11 BV 14.2738 – Urteil vom 17. November 2015
VG Regensburg RO 8 K 14.1468 – Urteil vom 04. November 2014
BVerwG 3 C 13.16 – Urteil vom 06. April 2017
1. ein ärztliches Gutachten (§ 11 Absatz 2 Satz 3) beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen, oder
2. ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn
a) nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen,
b) wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden,
c) ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde,
d) die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe entzogen war oder
e) sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht.
Im Falle des Satzes 1 Nummer 2 Buchstabe b sind Zuwiderhandlungen, die ausschließlich gegen § 24c des Straßenverkehrsgesetzes begangen worden sind, nicht zu berücksichtigen.
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