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Verkehrsrecht

Gebrauchtwagenkauf: Viele AGB der Fahrzeug-Händler sind unwirksam mit der Folge, dass für die Sachmangelhaftung eine zweijährige Verjährungsfrist gilt!

By 29. April 2015April 8th, 2021No Comments

Nicht selten kommt es vor, dass es nach dem Kauf eines Fahrzeugs zwischen Verkäufer und Käufer zu Meinungsverschiedenheiten kommt. Beim Kauf vom Händler stehen dem Käufer regelmäßig Gewährleistungsansprüche (Sachmangelhaftung) zu, da der Händler diese nicht gänzlich ausschließen kann.
Sollte tatsächlich ein Mangel vorliegen, kann der Käufer sich in der Regel aber nicht direkt vom Kaufvertrag lösen und das Fahrzeug zurückgeben. Er hat zunächst den Verkäufer aufzufordern, den Mangel zu beseitigen (Nachbesserung). Ob mehrfache bzw. wie viele Nachbesserungsversuche dem Verkäufer „zustehen“, hängt von der Art und dem Umfang der Mängel ab.

Der Bundesgerichtshof hatte am 15.04.2015 über einen besonders krassen Fall zu entscheiden und ausnahmsweise einem Käufer ein sofortiges Rücktrittsrecht zugebilligt.

Die Käuferin hatte einen älteren Gebrauchtwagen gekauft, der aber immerhin noch 5.000 € kostete. Nach dem Kaufvertrag sollte der Wagen eine neue Hauptuntersuchung erhalten, was auch geschah. Wegen anderer Mängel lies die Käuferin das Fahrzeug nach der Übergabe untersuchen. Hierbei wurde unter anderem erhebliche und die Verkehrssicherheit beeinträchtigende Korrosion an den Bremsleitungen festgestellt. Das Fahrzeug hätte mithin gar keine „Plakette“ erhalten dürfen.
Wegen der Erheblichkeit dieses Mangels, der auch ohne weiteres erkennbar gewesen sein soll, war der BGH der Auffassung, dass die Käuferin den Verkäufer nicht zur Nachbesserung auffordern musste, sondern direkt den Rücktritt erklären konnte.

 

Den Text der Pressemitteilung des BGH vom 15.04.2015 zum Gebrauchtwagenkauf vom Händler finden Sie nachfolgend.

Nach wie vor kann die Gewährleistung beim Kauf zwischen Verbrauchern und beim Kauf unter Unternehmern ausgeschlossen werden.
Beim Kauf eines Verbrauchers vom Unternehmer („Verbrauchsgüterkauf“, § 474 BGB), also dem klassischen Kauf Privat vom Händler kann die gesetzliche Verjährungsfrist für die Mängelansprüche nicht ausgeschlossen, aber bei Gebrauchtwagen von 2 Jahren auf 1 Jahr verkürzt werden.

Eine Verkürzung der Verjährungsfrist erfolgt regelmäßig durch vorformulierte Kaufverträge der Händler. Dies ist grundsätzlich zulässig.

ABER: Der Bundesgerichtshof hat am 29.04.2015 entschieden, dass die vom Zentralverband des Kraftfahrzeuggewerbes (ZdK) empfohlene Klausel wegen Unklarheit (Verstoß gegen das Transparenzverbot) unwirksam ist. Diese Klausel wurde bisher von einer Vielzahl von Händlern wörtlich oder jedenfalls wortnah genutzt.
Die Unwirksamkeit der Klausel führt dazu, dass der Verkäufer für 2 Jahre wegen etwaiger Sachmängel haftet.

Die schriftliche Urteilsbegründung lag bei Erstellung dieser Veröffentlichung (29.04.2015) noch nicht vor.
Die genauen Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis lassen sich erst feststellen, wenn die Entscheidung vollständig vorliegt. Schon jetzt steht aber fest, dass sich erhebliche Änderungen ergeben werden und viele formularmäßige Kaufverträge nicht zu einer Verkürzung der Verjährung der Gewährleistungsansprüche führen.

 

Den Text der Pressemitteilung des BGH vom 29.04.2015 zum Gebrauchtwagenkauf vom Händler finden Sie nachfolgend:

Gebrauchtwagenhandel: Keine wirksame Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des ZdK (Zentralverband des Kraftfahrzeuggewerbes) Stand 3/2008

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit den Anforderungen beschäftigt, die bei einer formularmäßigen Verkürzung von Verjährungsfristen an die Verständlichkeit der Regelung aus Sicht des Verbrauchers (Kunden) zu stellen sind.

Die Klägerin erwarb beim beklagten Autohändler einen gebrauchten Pkw, an dem aufgrund von Produktionsfehlern Korrosionsschäden auftraten. Mit ihrer Klage verlangt sie die Kosten für eine Beseitigung dieser Schäden. Dem Kaufvertrag liegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten zugrunde, die der „Unverbindlichen Empfehlung des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. (ZDK)“ mit Stand 3/2008 entsprechen. Sie lauten auszugsweise wie folgt:

„VI. Sachmangel
1.Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden. […]

5.Abschnitt VI Sachmangel gilt nicht für Ansprüche auf Schadensersatz; für diese Ansprüche gilt Abschnitt VII Haftung.

VII. Haftung
1.Hat der Verkäufer aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen für einen Schaden aufzukommen, der leicht fahrlässig verursacht wurde, so haftet der Verkäufer beschränkt:

Die Haftung besteht nur bei Verletzung vertragswesentlicher Pflichten, etwa solcher, die der Kaufvertrag dem Verkäufer nach seinem Inhalt und Zweck gerade auferlegen will oder deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Kaufvertrages überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Käufer regelmäßig vertraut und vertrauen darf. Diese Haftung ist auf den bei Vertragsabschluss vorhersehbaren typischen Schaden begrenzt. […]

5.Die Haftungsbegrenzungen dieses Abschnitts gelten nicht bei Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit.“

Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 2.158,73 € (Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer) gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Verjährungsverkürzung gemäß Abschnitt VI Nr. 1 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB*) unwirksam ist und der Beklagte deshalb wegen Verletzung seiner Pflicht zur Nacherfüllung (§ 439 Abs. 1 BGB*) zur Zahlung des von der Klägerin begehrten Schadensersatzes verpflichtet ist.

Ein durchschnittlicher, juristisch nicht vorgebildeter Kunde kann den – widersprüchlichen – Regelungen in Abschnitt VI Nr. 1 Satz 1 und VI Nr. 5, VII nämlich nicht entnehmen, ob er Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung der Pflicht des Verkäufers zur Nacherfüllung bereits nach einem Jahr oder aber erst nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist von zwei Jahren nicht mehr geltend machen kann.

Denn einerseits sollen nach Abschnitt VI Nr. 1 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ansprüche wegen Sachmängeln nach einem Jahr verjähren. Danach darf der Verkäufer nach Ablauf dieser Zeit die Nacherfüllung wegen eines Sachmangels verweigern, so dass auch für einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Nacherfüllungspflicht kein Raum mehr wäre. Andererseits ergibt sich aus den Regelungen des Abschnitts VI Nr. 5 und VII, dass für sämtliche Schadensersatzansprüche die Verjährungsfrist nicht verkürzt ist und die gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren gilt. Danach kann der Käufer einen Schadensersatzanspruch erst nach Ablauf von zwei Jahren nicht mehr mit Erfolg geltend machen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen geben somit – aus der maßgeblichen Sicht des Kunden – keine eindeutige Antwort darauf, binnen welcher Frist er vom Verkäufer Schadensersatz wegen Verletzung einer Nacherfüllungspflicht verlangen kann.

* § 439 BGB Nacherfüllung

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

§ 307 BGB Inhaltskontrolle

(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. […]

Urteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 104/14
Amtsgericht Waldshut-Tiengen – Urteil vom 26. Juli 2013 – 7 C 308/12
Landgericht Waldshut-Tiengen – Urteil vom 13. März 2014 – 2 S 34/13

Quelle Pressemitteilung des Bundesgerichtshof Nr. 071/2015 vom 29.04.2015

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